Was tun bei gravierenden Änderungen der Geschäftsgrundlage?

Häufig bedenken die Parteien bei Vertragsabschluss nicht alle denkbaren Rahmenbedingungen, vor allem wenn diese – wie aktuell häufig festzustellen – eskalieren. 

Die idealtypische Situation eines Vertragsschlusses ist die, dass die Parteien alle wesentlichen Umstände, unter denen die vereinbarten Leistungen zu erbringen sind, kennen, oder sie zumindest zutreffend vorhersehen können.

In der Folge einigen sie sich gerade deswegen auf einen Vertrag, der ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten in Bezug auf den vereinbarten Leistungsaustausch festschreibt und – besonders wichtig (!) – darüber hinaus Vorkehrungen trifft für nicht eingeplante, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber immerhin für möglich gehaltene Veränderungen. Dies kann sich auf den Umgang mit Veränderungen der Leistungspflichten selbst, wie beispielsweise Sonderwünschen bei einem Bauvertrag beziehen, aber auch auf außervertragliche Umstände. Das klassische Beispiel sind die sogenannten
„Force Majeure-Klauseln“, die darauf abzielen, einen Kompromiss zwischen den sog. Allgemeinen Bedingungen für höhere Gewalt, die zwingend erfüllt sein müssen, und der Angabe von Ereignissen zu finden, von denen angenommen wird, sie lägen außerhalb der Kontrolle der Parteien und seien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auch nicht vorhersehbar gewesen.

Dafür müssen zunächst die Fälle „höherer Gewalt“ überhaupt definiert werden, wie etwa Kriege, Revolutionen, Naturkatastrophen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Pandemien.

Ein Blick auf die Vertragspraxis zeigt allerdings, dass diese Parameter nicht durchgängig von Parteien umgesetzt werden. Während die wechselseitigen Rechte und Pflichten in Bezug auf den Vertragsbestand als der Kernbestand jedes Vertragstyps eingestuft werden, bedenken die Parteien häufig nicht, welche vertraglichen Regelungen gelten sollen bei unvorhergesehenen außervertraglichen Umständen. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen, aber auch insbesondere bei Werkverträgen und Bauverträgen sind solche Vorgehensweisen allerdings zwingend geboten.

Beispielsweise sind bei Bauverträgen in der Regel lange Zeitspannen mit Auftragsausführungen verbunden. Neben klassischen Konfliktsituationen, die das Vertragswerk im engeren Sinne betreffen, wie beispielsweise Gewährleistungsfragen, Verzug mit Ausführungsfristen usw. bestehen bereits erhöhte Anfälligkeiten auch für störende außervertragliche Einflüsse.

Hierbei muss man nicht einmal an klassische Umstände wie höhere Gewalt denken. Bereits Leistungsstörungen von Subunternehmen können dazu führen, dass sich dortige Mängel oder Verzüge hindernd auf die Umsetzung der geschuldeten Leistungen auswirken.

Um möglichst viele „Störungsquellen“ im Vorfeld zu erkennen und zu regeln, bedarf es eines juristischen Rates, sinnvollerweise durch einen Rechtsanwalt, der über erhebliche Erfahrungen und Kenntnisse in vertragsrechtlichen Fragen verfügt.

Nicht immer reichen gesetzliche oder judikative Rechtsinstitute als „Auffangfunktion“. Auch der Aspekt, ob aufgrund eskalierter Rahmenbedingungen eine Anpassung über Nachverhandlungen möglich erscheint, ist ebenfalls eine Frage für einen in diesen Bereichen spezialisierten Rechtsanwalt. Eine konkrete Prüfung des Vertrages wird hier Aufschluss dazu geben, ob und wieweit auch ohne angemessene Regelungen über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage die ergänzende Verhandlung über Vertragsaspekte möglich erscheint.

 

Arnd Katzke

Rechtsanwalt und WirtschaftsMediator
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht