Zur Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie hat die Bundesregierung mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 28.10.2020 zusätzliche Maßnahmen beschlossen, die bundesweit am 02.11.2020 in Kraft treten.
Es sind Maßnahmen, die das öffentliche Leben deutlich herunterfahren. Der Begriff „Lockdown light“ macht die Runde. Ob man angesichts der zu erwartenden Einschränkungen von einem „Lockdown light“ sprechen kann, mag bezweifelt werden, eines ist schon jetzt klar: Die Maßnahmen werden erneut zu weitreichenden Eingriffen führen, insbesondere Gaststätten, Bars, Kneipen, Clubs, Discos und die Veranstaltungsbranche werden erneut stark betroffen sein. Schulen und Kitas hingegen sollen geöffnet bleiben. Welche rechtlichen Fragen sich nun für Betroffene stellen und wie die erneuten Schließungen gerechtfertigt werden sollen (oder eben nicht), erläutert RA Markus Knuth, zugleich FA für Verwaltungsrecht, in unserem nächsten Beitrag.
Die Gerichte werden sich erneut mit Eilanträgen und Klagen auseinandersetzen müssen. Während die Gerichte die Eingriffe zu Beginn der Pandemie noch für rechtmäßig erachteten, gab es zuletzt immer mehr Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. So wurde das Beherbergungsverbot von zahlreichen Gerichten gekippt.
Betroffene aus den besonders betroffenen Gewerben in NRW (Gaststättenbetreiber, Künstler, Veranstalter, Kinobetreiber, usw.) haben dazu die Möglichkeit, vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens einen sog. Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Regelung in der Corona-Schutzverordnung zu stellen.
Ob diese Maßnahmen durch die Gerichte als rechtmäßig eingestuft werden, dürfte sich nach zeitlichen und sachlichen Kriterien bemessen, die eine Differenzierung und Abstufung ermöglicht. Es wird die Frage zu beantworten sein, warum eine pauschale Schließung von Gaststätten, Hotels, Fitnessstudios oder Nagelstudios erfolgt, während Groß- und Einzelhandelsbetriebe oder Frisöre geöffnet bleiben dürfen. Dies verursacht Akzeptanzschwierigkeiten nicht nur bei den betroffenen Betreibern, sondern auch bei der Bevölkerung. Viele Betreiber hatten in den vergangenen Wochen und Monaten in aufwändige Hygiene-Konzepte und Schutzmaßnahmen investiert.
Es steht nicht zu 100% objektiv fest, welche konkreten Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht, zumal auch die Wissenschaft keine eindeutigen Antworten gibt. Dies zeigt sich insbesondere bei der Gastronomie, die nach bisherigen Erkenntnissen nur geringfügig zum Infektionsgeschehen beigetragen haben dürfte. Es fehlen gesicherte Hinweise, die bei Gaststätten eine Verbreitungsgefahr belegen. Ähnliches dürfte auch für den Kulturbereich und viele andere betroffene Branchen gelten. Dem wird entgegengehalten, dass derzeit rund 75 % aller Infektionen nicht nachverfolgbar sind. Hier wird erneut zu prüfen sein, ob eine Öffnung unter Schutzmaßnahmen kein milderes, aber eindeutig ebenso geeignetes Mittel darstellt. Ob die Gerichte angesichts der in den vergangenen Monaten gewonnen Erkenntnisse auch jetzt noch davon ausgehen werden, dass öffentlich zugängliche gastronomische Einrichtungen eine besondere Infektionsgefahr birgt, darf zumindest bezweifelt werden. Ebenso darf bezweifelt werden, ob das mit der Betriebsschließung u.a. verfolgte Ziel, soziale Kontakte unter der Bevölkerung zu verringern, nicht mehr in gleicher Weise erreicht werden, wenn viele Gaststätten unter Einhaltung bestimmter Hygienevorschriften öffnen dürfen.
Viele dieser einschneidenden Maßnahmen werden in Verordnungen und Allgemeinverfügungen geregelt. Angesichts der erheblichen Grundrechtseinschränkungen spricht hier jedoch auch vieles dafür, das Parlament, d.h. den Bundestag und den Bundesrat zu beteiligen. Dies wurde in den vergangenen Wochen aufgrund der massiven Grundrechtseinschränkungen vielfach gefordert. Für die Überprüfung der Bundesgesetze wäre dann das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Die Bundesregierung und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben angekündigt, Entschädigung bis zu 75% des Umsatzverlustes zu zahlen. Was als großzügige Maßnahme tituliert wird, dürfte auch folgenden Hintergrund haben: Das Oberverwaltungsgericht NRW hatte in der jüngsten Vergangenheit insbesondere in Bezug auf Gaststätten, Clubs und Bars geurteilt, dass das Bestehen von Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen eine gewisse Kompensation darstelle – auch wenn die dortigen Leistungen perspektivisch wohl nicht ausreichen dürften, die wirtschaftliche Existenz der von längerfristigen Betriebsschließungen betroffenen Unternehmen zu sichern.
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