Corona – Kontaktsperre vs. Grundrechte

Seit rund zwei Wochen wird das öffentliche Leben in Deutschland immer mehr eingeschränkt, seit dem 22.03.2020 ist sogar von einer sog. „Kontaktsperre“ die Rede. Doch was bedeutet das überhaupt?

„Die Bürgerinnen und Bürger werden angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Haushalts auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet“

Tatsächlich ist die Definition von Ausgangssperre, Ausgangsbeschränkung, Kontaktsperre und Betretungsverbot in aller Regel Auslegungssache, da die Begrifflichkeiten in einigen Fällen juristisch nicht eindeutig festgelegt sind. Was in einer Region als Betretungsverbot bezeichnet wird, ist anderorts mit einer Kontaktsperre gleichzusetzen.

Damit werden die Bürger – erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges – in Deutschland in ihrem persönlichen Lebenswandel erheblich eingeschränkt.

Vor gut einem Jahr – am 08. Mai 2019 – haben wir in Deutschland den 70. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert, unserer Verfassung, um die uns viele Staaten dieser Welt beneiden. Im Grundgesetz sind die Regelungen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung verankert, so u.a. das „Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“, das „Recht zur ungestörten Religionsausübung“ oder auch das „Recht der Versammlungsfreiheit“.

Doch wie vertragen sich die aktuellen Maßnahmen in Deutschland mit diesen Freiheitrechte eines jeden einzelnen?

Fest steht: Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten, außer es handelt sich um Familienangehörige, die in einem Haushalt leben. Damit sind auch Zusammenkünfte religiöser Gruppen nicht mehr erlaubt, Kirchen, Synagogen und Moscheen sind geschlossen. Gottesdienste finden nur noch per Videostream statt. Wer sich an diese Vorgaben nicht hält, wird mit einem empfindlichen Ordnungsgeld bestraft. Aktuell werden für einen Erstverstoß 500,00 € verhängt.

Selbstverständlich sind auch Versammlungen unter freiem Himmel nicht mehr erlaubt, außer sie dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsvor- und -fürsorge bzw. der Versorgung der Bevölkerung (wie Wochenmärkte).

Des Weiteren ist für viele Berufsgruppen die Berufsausübung erschwert, oftmals sogar unmöglich gemacht.

Grundsätzlich gilt: der Staat darf nur dann in die Grundrechte seiner Bevölkerung eingreifen, wenn es hierfür eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gibt. Eine solche Ermächtigungsgrundlage dürfte wohl vorliegen, die Landesregierungen stützen sich auf entsprechende Regelungen im Ordnungsbehördengesetz oder aber auch im Infektionsschutzgesetz, in dem es u.a. heißt: „Unter den Voraussetzungen von […] kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten […];sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind […]. Die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt.“

Wichtig ist, dass die Regelungen zwar die Einschränkung, insbesondere der Versammlungsfreiheit, ermöglichen, allerdings keine allgemeine Ausgangssperre. Das Verbot, einen Ort zu verlassen, gilt nur solange, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Demnach sind nur zeitlich beschränkte Maßnahmen möglich. Weitergehende Maßnahmen dürften mit den Grundrechten wohl nur schwer vereinbar sein. Als grobe Richtschnur für das Kriterium der „zeitlichen Beschränkung“ dürfte ein Zeitraum von zwei Wochen angemessen sein. Die Äußerung der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, ist derzeit so zu verstehen, dass eben gerade dieser Zeitraum ausgeschöpft werden soll.

Im Vergleich hierzu dürften weitergehende, ausgangsbeschränkende Regelungen, mit den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes als gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht in Übereinklang zu bringen, zumindest aber argumentativ zu widerlegen sein. Zudem zielen Kontaktverbote im öffentlichen Raum passgenau auf die bestehenden Defizite in der Durchsetzung des Konzeptes des „social distancing“ ab, während allgemeine Ausgangsbeschränkungen nicht auf die zu adressierende Problemlage ausgerichtet sind. Kontaktverbote haben zudem nicht den Charakter einer Freiheitsbeschränkung, sind damit im Lichte der Grundrechte als eher vertretbar einzustufen. Dies bedeutet nicht, dass eine „Ausgangssperre“ nicht zu einem späteren Zeitpunkt von der Bundesregierung erwogen wird, insbesondere dann, wenn Zusammenkünfte im öffentlichen Raum nicht spürbar verschwinden oder die Infektionsrate nicht gesenkt werden kann.

Höchstwahrscheinlich müsste der Gesetzgeber dann allerdings zuvor eine entsprechende rechtssichere Grundlage schaffen.